Schlesien Summer oder der Weinberghirsch
Dreißig Grad Celsius zeigt uns das in Polen obligatorische Straßenthermometer, als wir an diesem Vormittag die deutsche Grenze hinter uns lassen. Die schlesischen Hirsche rufen uns, hoffen wir zumindest und nehmen so die 1000 km Anfahrt bei dieser Hitze gern in Kauf.
Bohdan und Lilianna, die Inhaber von Lowca, dem wohl schönsten Jagdgeschäft Polens, haben uns eingeladen ihre Heimat kennenzulernen.
Im Hotel angekommen bleibt uns kaum genug Zeit die Koffer auszupacken. Bohdan steht schon vor der Tür und begrüßt uns herzlich. Er scheint uns anzusehen wie ausgehungert wir sind und er entführt uns in ein nahegelegenes Restaurant. Landestypische Speisen werden hier feilgeboten und so schlemmen wir schlesische Klöße mit Roulade und Rotkohl. Landestypisch ist auch der Wodka und so probieren wir uns durch die Karte. Von süßlich bis Gänsehaut mit garantiertem Schüttelfaktor reicht das Angebot. Da es morgen jedoch zeitig ins Revier gehen soll und wir von der Anreise ziemlich gerädert sind, beenden wir die Probe rechtzeitig.
Bevor wir zu Bett gehen werfen wir noch einen schnellen Blick auf die Wetterkarte für die kommenden Tage. Bis zu dreißig Grad am Tag und 24 Grad in der Nacht werden prognostiziert. Leider keine gute Aussicht auf eine aktive Brunft. Tatsächlich, als wir uns morgens in aller Herrgottsfrühe auf den Weg zur Jagd machen, herrschen hochsommerliche Temperaturen und das noch vor Sonnenaufgang. Einen Rehbock würde diese Hitze während der Blattzeit zu Höchstleistungen treiben, einem Hirsch nimmt es wohl eher die Lust aktiv zu werden. Auch unsere polnischen Freunde schauen deshalb sehr skeptisch drein. Nach kurzer Fahrt im Revier angekommen herrscht dichter Frühnebel, welcher es uns einfach macht unbemerkt zum Hochsitz zu gelangen. Während mein Partner Michael sich zusammen mit Bohdan auf die Pirsch zu einer etwas weiter gelegenen Kanzel macht, baume ich mit Lilianna direkt auf einen Sitz mit einer kleinen Veranda auf. Wie eine VIP-Lounge in einem Theater lädt der Vorbau uns zum Ansitz ein. Jetzt fehlen nur noch die Hauptdarsteller des Stücks. Nach einer knappen Viertelstunde beginnt, was wir sehnlichst erwartet haben. -Ein tiefes Grollen wie aus dem Nichts, direkt neben uns, lässt mich zusammenzucken. Nur wer es einmal live erlebt hat wird verstehen, wie beeindruckt ich in diesem Moment bin. Näher als in solchen Situationen kann man der Natur kaum sein. Welch Privileg das uns Jägern geschenkt wird. Auch wenn ich im dichten Nebel noch nichts ausmachen kann, erahne ich wie dicht der Hirsch vor uns stehen muss. Fast glaube ich, seinen Atem hören zu können. Es scheint sich ein weiterer genähert zu haben, denn nun vernehme ich deutlich das Gerangel der beiden. Wie aufeinanderschlagende Äste klingt es, als ihre Geweihe sich kreuzen. Was würde ich nur dafür geben, durch den Nebel schauen zu können, um es zu verfolgen.
Mit der aufgehenden Sonne verzieht sich langsam der nebelige Schleier aber als der Vorhang gelüftet ist, tut sich eine leere Bühne vor uns auf. Wo noch eben der Kampf der Rivalen tobte herrscht jetzt nichts als schwüle Stille. Wir baumen ab, ohne enttäuscht zu sein. Haben wir doch etwas Spannendes erlebt und freuen uns darauf, es unseren Männern erzählen zu können. Diese lassen auch nicht lange auf sich warten und ihre verschwitzten Gesichter zeigen wie warm dieser Morgen ist. Höchste Zeit für ein gemeinsames Frühstück und wir brechen auf, um bei hausgemachter Wildwurst, Erlebtes auszutauschen und Pläne, für die kommenden Pirschgänge und Ansitze zu schmieden. Auf einen Ansitz bei Tag verzichten wir, denn auch wenn wir in einem der attraktivsten Rotwildgebiete Europas sind, wird sich bei diesen Temperaturen wenig ereignen. Zeit um einen Blick auf die Gegend zu werfen und die Geschichte Schlesiens näher kennenzulernen. Neben dem Jagdhaus Promnitz steht auch das Schloß Pless auf dem Programm. Beeindruckend sind nicht nur Zustand der Gebäude, sondern vor allem das Inventar. Man muss kein Jäger sein, um sich in die Zeit zurückversetzen zu können und wir staunen über den Prunk und Protz des Adels dieser Epoche. Auch die Gedenkstätten Birkenau und Auschwitz besichtigen wir, sind sie doch Teil unserer deutschen Geschichte. Nachdenklich und mit einem Knoten im Bauch lassen wir diesen Ausflug hinter uns und wundern uns gemeinsam einmal mehr über den Menschen.
Es wird Zeit, wieder in die Wälder zu fliehen und der Natur zu lauschen. Leider bleibt es nur beim Lauschen, denn die fast hochsommerliche Hitze scheint unseren Hirschen nicht zu bekommen. Stille herrscht, absolute Stille und das dort, wo eigentlich geschäftiges Treiben zu erwarten war. Entschuldigend zucken unsere Gastgeber mit den Schultern als seien sie schuld daran und sie tun alles, um uns trotzdem einen schönen Aufenthalt zu bieten. Um die Erkältung, welche Michael dank der Klimaanlage auf der Hinfahrt bekommen hat, etwas zu lindern probieren wir es auf die traditionelle Art. Wodka als Medizin! Es wird eine sehr lange Nacht und ein lustiges Horrido wird trotz mangelnder Beute vielstimmig gesungen. Klar, dass der nächste Morgen zum Ausschlafen genutzt wird. Wir tun es dem Rotwild gleich und verkriechen uns vor der Hitze tief in unserem Einstand. Erst am Abend starten wir einen neuen Versuch. Diesmal tief im Bestand in welchem wir die Geweihten vermuten. Zahlreiche Trittsiegel zeugen von ihrer Anwesenheit und hier und da vernehmen wir auch ihr Röhren. Einen Jungen Achter, vermutlich vom zweiten Kopf bekommen wir zum Anblick, jedoch verbietet sich hier ein Schuss, ebenso wie beim Kronenhirsch am nächsten Morgen. Die Kriterien der Rotwildhege ähneln sehr den deutschen Richtlinien und so bleibt es beim Anblick. Natürlich sind wir enttäuscht, denn wer einmal die Chance bekommt in diesen Revieren zu jagen, hofft auf Beute und für mich wäre es der erste Rothirsch gewesen. Es lässt sich jedoch bei der Jagd nichts erzwingen und gerade das ist es ja was die Jagd ausmacht. Entschädigt, mit der Aussicht wiederkommen zu dürfen aber vor allem mit neuen Freunden im Gepäck treten wir ohne Erfolg die Heimreise an. Die Enttäuschung scheint man mir deutlich ansehen zu können, denn im Halbschlaf bekomme ich mit wie Michael noch während der Fahrt eifrig telefoniert. Träume ich oder haben wir uns verfahren? Statt Richtung Heimat sind wir auf dem Weg ins Rheinland. Als ich erstaunt nachfrage, feixt mein Fahrer nur und bemerkt: „Ohne Hirsch kommst du mir nicht nachhause“! Wir fahren zur Loreley und besuchen Max Wiegand. Ein Revier mitten in den Weinbergen, mit Ausblick aufs Rheintal nennt er sein eigen. Aber nicht nur die Landschaft ist es die diese Jagd so auszeichnet. Tagaktives Rotwild in hoher Zahl zieht hier seine Fährte.
Kaum angekommen geht es auch hier nach einer herzlichen Begrüßung direkt ins Revier. Paradies nennt sich die Kanzel auf welche ich aufbaume. Diesen Namen trägt sie zu Recht. Ins Tal blickend sieht man die Fährschiffe auf dem Rhein, zur Rechten bildet eine Felswand und zur Linken ein Weinberg die Kulisse. Muffelwild zeigt sich, kaum aufgebaumt, vertraut hier im Paradies. Kurz darauf erblicke ich auch das erste Rotwild. Ein Alttier mit Kalb äst vertraut direkt vor meinen Augen. Ich bin dabei einige Aufnahmen zu machen und vernehme plötzlich ein leises Knacken hinter meiner Kanzel.
Ich wage kaum zu atmen oder auch nur mit der Wimper zu zucken. Mit lang gestrecktem Träger zieht ein Hirsch an meinem Sitz vorbei in Richtung Kahlwild. Auch ohne mein Glas an die Augen zu nehmen, lässt sich der Hirsch schnell als Klasse II ansprechen und damit wäre er für mich freigegeben.
Jetzt heißt es Ruhe bewahren und nicht die Nerven verlieren. Wie in Zeitlupe bringe ich die Lady Hunter in Anschlag. Noch tanzt der Leuchtpunkt auf und ab, denn die Anspannung sitzt tief. Erst nach ein paar kräftigen Atemzügen bekomme ich meinen Puls unter Kontrolle. Wie im Lehrbuch steht der Angesprochene mit erhobenem Haupt breit vor mir. Jetzt oder nie, denke ich und schon bricht der Schuss. Noch während ich zur Sicherheit durchrepetiere sehe ich den Hirsch zu Boden gehen. Eine weitere Kugel ist nicht nötig denn der Rote ist bereits verendet. Erst jetzt bemerke ich meine schweißnassen Hände und es dauert eine ganze Weile bis ich mich ein wenig beruhigt habe. Mit zitternden Fingern beantworte ich die eingehende Nachricht auf meinem Handy. Ja, ich habe geschossen und der Hirsch liegt, lautet meine Antwort. Um die Totenwacht allein erleben zu können baume ich ab, bevor die Jagdgefährten eintreffen. Es ist ein bewegender Moment als ich den letzten Bissen reiche und realisiere: Hier liegt er vor mir, der König der Wälder. Erst das kräftige Waidmannsheil, der überreichte Bruch, das nachfolgende Bergen und Versorgen des Stückes bringt mich zurück in die Realität. Neben all der Anspannung und dem Erleben haben wir vor allen Dingen eines: Wertvolles Lebensmittel gewonnen.
Ausrüstungskasten
Gejagt haben wir mit der Lady Hunter der Firma Savage. Was in Europa erst jetzt zum Thema geworden ist, wird mit dieser Amerikanerin schon lange geboten. Eigens abgestimmt auf die Anatomie einer Frau liegt sie mit ihrer schlanken Schäftung hervorragend. Kurzer Lauf, herausnehmbares Magazin, geringes Gewicht und Accu Trigger sind die Merkmale. Auf einer Weaverschiene montiert war das VX 6 der Firma Leupold. Dimmbarer Leuchtpunkt und eine Vergrößerung von 2 bis 12fach bieten eine breite Anwendungspalette. Der Objektivdurchmesser von 42 mm bot überraschenderweise auch in der Dämmerung genügend Licht. Geringe Wildbretentwertung war das Ergebnis der genutzten bleifreien Hornady GMX im Kaliber .308 WIN. Mit 9,72g brachte sie bei hoher Präzision Ausschuss und hohe Stoppwirkung. Mit der Firma Hart war ich als Frau bestens ausgestattet, denn auch hier gibt es eine eigene Damenserie. Das getragene Set Irati sitzt nicht nur gut, es bietet auch den benötigten Komfort für jede Jägerin. Zahlreiche sinnvolle Details macht es zum treuen Begleiter.